Tag 49 – Berufsschauspielerin

Mittwoch, 16. März

Ich war mal wieder auf Marias Internetseite. Allerdings mehr oder weniger aus Versehen. Denn Maria hatte mir was von den ganzen Seiten die sie inzwischen vorbereitet erzählt und weil ich sie nirgendwo gefunden hatte, dacht ich mir, ich schaue mal auf ihrer Seite vorbei. Dort habe ich einen Kurzclip gesehen, wie bei ihr ein Tag abläuft, wenn sie auf einen Anruf für ein Casting wartet. Durch die ganzen Fehler die passiert sind, durch die ganze Verzögerung wegen ihrer Universität und weil ich inzwischen das Gefühl hatte, dass Maria einfach nicht bei der Sache ist und dies mir durch den Clip bestätigt wurde, war für mich das Ende der Geduld erreicht.

Denn jetzt ging es nicht nur darum, dass sie die Zeit mit irgendwas verbringt, sondern anscheinend sucht sie aktiv nach Rollen für ihre Schauspielerei und das war zu dem Zeitpunkt für mich undenkbar. Ich hatte sie ganz am Anfang mal gefragt ob sie diese Agentur nur vorübergehend machen wolle oder für immer und sie antwortete damals, es wäre für sie ein Lebensprojekt. Aber dann muss man sich aus meiner Sicht auch darauf konzentrieren und kann nicht nach Rollen suchen. Was ist wenn sie eine Zusage erhält. Wie lange dauert es um die Rolle in einem Film oder am Theater einzustudieren. Für mich undenkbar. Jetzt machte es für mich auch Sinn, warum sie nicht fragen wollte, wenn sie einen Job neben der Agentur machen wollte.

Ich schrieb ihr, es ist mir egal was du in deiner Freizeit machst, ich hoffe nur, dass du weißt, was gerade wichtig ist. Wenn Du denkst, dass andere Dinge wichtiger sind, sag es mir und hör auf, meine Zeit und vor allem mein Geld zu verschwenden. Und erzähle mir nicht, dass das wieder was privates ist, denn wer sich im Internet darstellt, ist nicht privat.

Es kam keine Antwort, also schrieb ich ihr, dass ich ein Treffen wolle, den dieses Problem muss gelöst werden.

Irgendwann hatte ich mich abgeregt und schrieb ihr, dass ich dafür kein Treffen brauche, sie soll machen was sie will, aber sie solle bitte, nachdem die Agentur läuft, wissen was Priorität hat.

Zwischen meiner ersten Mail und dem Zeitpunkt an der ich die folgende Mail schrieb lagen 10 Stunden. Keine Antwort. Also schrieb ich ihr auf deutsch, ich hätte gerne gewusst, was du gestern wegen der Bank oder der Handelskammer gemacht hast und ich hätte gerne gewusst, was du planst heute zu machen.

Maria antwortete: Für mich gibt es nichts wichtigeres im Moment. Du hattest mir gesagt, ich könne morgen gehen. Also warte ich bis morgen um den Papierkram für die Übertragung der Aktien, die Registrierung der Bücher und die Banksachen zu erledigen. Ich fühle mich im Moment nicht angespannt und ich verstehe nicht warum du das sagst. Ich fühle mich wirklich gut und ruhig in unserer Arbeit. Du hast gesagt, ich solle die Dinge nicht in Eile machen und das mache ich jetzt, ich mache die Dinge in Ruhe. Ich warte bis morgen, bis ich alle Dinge erledigen kann. Deine Dokumente habe ich Alejandra geschickt. Sie meinte, die Aktienübertragung wäre nicht notwendig, aber ich kann sie trotzdem mit zur Handelskammer nehmen. Bitte nicht stressen, wir machen die Dinge jetzt richtig. Außerdem erkläre mir bitte was du damit mit meinst wenn du schriebst, dass ich mich im Internet darstelle.

Ich antwortete ihr, dass sie mir einfach so wie jetzt antworten soll, den diese Unwissenheit wäre schlecht für mich im Moment.

Sie fragte ob ich wütend oder verärgert wäre, denn es gäbe keinen Grund. Warte einfach bis ich die Dinge erledigt habe. Die Aktienübertragung habe ich Alejandra geschickt und ich werde dir morgen mitteilen, wie es in der Handelskammer gelaufen ist.

Ich habe sie dann konkret darauf angesprochen. Ich schrieb ihr was ich entdeckt hatte und fügte hinzu, was ich damit sagen will ist, es ist mir egal was du in deiner Freizeit machst, aber wenn du solche Videos (es waren insgesamt 3) online stellen kannst, in Zeiten in denen du eigentlich Unterricht hast und keine Zeit hast Dinge für die Agentur zu erledigen, dann hätte ich gerne gewusst wo deine Prioritäten liegen. Aber ich habe mich inzwischen beruhigt und im Moment ist alles OK für mich.

Maria antwortete: Ich habe beschlossen nur noch Nachrichten zu beantworten, die mit der Agentur zu tun haben und die für das Unternehmen wichtig sein können. Ich werde auch nicht über deine letzte E-Mail streiten, obwohl ich viel zu sagen hätte. Aber ich habe dir viel Vertrauen geschenkt und du hast es missbraucht. Du solltest dich nur darum kümmern, dass die Dinge gut laufen, mehr nicht. Und bist jetzt habe ich dir alles erzählt, was ich tue und dir sogar jedes Dokument geschickt. Aber denke daran, ich suche nicht im Internet nach dir, ich habe weder ein Foto noch deine Familie oder deinen Freunden gesucht, weil ich nicht daran interessiert bin, dein Leben zu missachten. Und selbst wenn ich dich zufällig finden würde, hätte ich keine Meinung dazu. Was du mit deinem Leben und deiner Freizeit machst, ist deine Sache, alles was ich verlange, ist der gleiche Respekt, den ich dir gebe. Oder kannst du deinen Hobbys nachgehen wann immer du willst und ich darf das nicht?

Naja, mir ging es ja nicht darum, dass sie Kurzfilme ins Internet stellt, mir geht es eher darum was in den Filmen zu sehen ist. Nämlich dass sie auf ein Casting wartet.

Ich schrieb ihr kurz zurück, dass ich verstanden hätte.

Sie antwortete: wenn du etwas wissen willst, frag mich einfach und ich werde es dir sagen. Alles was die Agentur betrifft. Wenn wir eines Tages ein soziales Netzwerk haben, wirst du es als erster wissen, aber bisher habe ich nur Ideen. Ideen die im Laufe der Zeit hoffentlich wahr werden, wenn wir endlich die Bürokratie beenden können und das gesamte Budget in Kolumbien ist. Dann können wir richtig loslegen. Was meine sozialen Netzwerke betrifft, nehme ich nicht alles was ich hochlade, in dem Moment auf. Es gibt Videos und Fotos von vor langer Zeit, gespeicherte Dinge, die ich später hochlade. Und denke daran, dass ich auch Schauspielerin bin und irgendwann beruflich eine sein möchte. Aber ich sollte dir diese Erklärung nicht geben müssen, also respektiere mein persönliches Leben.

Aber genau, das war das Ende für mich. Berufsschauspielerin. Was ist dann mit der Agentur?

Und ich wies sie in meiner nächsten E-Mail genau auf diesen Satz hin, nämlich, dass sie Berufsschauspielerin werden wolle und schrieb ihr, dass ist das was ich wissen wollte. Du kannst alles stoppen. Das ist für mich das Ende unserer Agentur. Ich war so geladen zu diesem Zeitpunkt, dass ich ihr schrieb, dass ich nun wisse, wer falsche Spiele spielt. Ich schrieb ihr sie solle mir die 2000 Euro zurück überweisen und dass sie dafür genau 1 Woche Zeit hat. Wenn ich mein Geld in 2 Wochen nicht zurück habe, haben wir Probleme. Und du brauchst auch nicht auf diese E-Mail zu antworten. Viel Erfolg bei deiner Schauspielerei.

Wenn du etwas nicht verstehen konntest. Du hast genau 2 Wochen Zeit um die 2000 Euro an mich zurück zu überweisen. Wenn du die Agentur nicht auflöst, werde ich den Anwalt bitten, dies zu tun.

Maria antwortete: Was habe ich falsches gesagt? In einer Minute verstehst du was ich meine und was ich sage und in der nächsten wirst du wütend.

Maria: Ich habe dir gesagt, dass all meine Energie, meine Liebe und Aufmerksamkeit in der Agentur steckt. Das letzte mal habe ich dir gesagt, dass ich heute versuchen würde, den Papierkram zu erledigen und dann hast du mir gesagt, ich solle morgen gehen, damit alles perfekt wird. Und genau das habe ich gemacht, ich warte auf morgen. Dann schreibst du mir eine ziemlich verletzende Nachricht, in der du mir vorwirfst, dass ich nichts tun würde, weil meine Priorität nicht die Agentur ist. Und so ist es nicht. Ich habe mein Bestes gegeben um deinen Wünschen zu entsprechen, obwohl es nicht so sein sollte, weil wir Partner sein wollten. Aber du wirst wütend, wenn ich versuche dir etwas zu sagen und du nicht einverstanden bist und du erwartest immer dass ich zustimme. Und das ist anstrengend. In letzter Zeit habe ich versucht, mein Bestes zu geben und nicht zu streiten, ich habe dir in allem Recht gegeben. Und jetzt bist du verärgert? Warum? Weil ich gesagt habe, dass ich eine Berufsschauspielerin werden möchte? Echt jetzt? All das macht mich sehr traurig, aber es stört mich nicht mal. Ich fühle mich im Moment gerade als die meist gedemütigte und bedrohte Person.

Ich antwortete ihr, dass sie genau weiß was ich meine und ich darüber nicht mehr diskutieren werde. Ich habe dich gefragt, ob du diese Agentur auch in Zukunft machst und du hast ja gesagt. Und jetzt ist dein Ziel Berufsschauspielerin zu werden. Wenn das dein Wunsch ist, dann tu es. Ich habe dir in meinen letzten 2 E-Mails bereits gesagt was ich will.

Wenn du nicht mehr reden willst, antwortete Maria, ist das in Ordnung. Aber ich verstehe nicht, warum du willst, dass ich mich zwischen einer Rolle als Schauspielerin und der Firma entscheide. Schauspielerin zu sein ist etwas, das ich seit Jahren mache und ich habe immer sehr hart gearbeitet für die Sachen die ich mache. Es war das einzige mal, dass sie am Ende einer E-Mail Adiós schrieb.

Ich fragte sie, wie willst du das machen? Geschäftsführer einer Agentur und Berufsschauspielerin? Erklär mir das bitte.

Maria schrieb: Du hast mir keine Chance gegeben und du zweifelst schon länger an mir. Zum Glück habe ich nie an mir gezweifelt. Ich gebe dir dein Geld zurück, sag mir einfach, wann wir uns treffen und darüber reden können. Denk daran, dass ich das Geld aus dem Verfahren und die Buchhalterin noch bezahlen muss. Alles andere gehört dir und ich gebe es dir zurück, wenn du möchtest. Passt es dir morgen?

Welche Uhrzeit? …. 11:30…. OK.

Ich war ratlos. Ich wollte die Agentur nach wie vor machen, aber mit Maria schien es nicht mehr möglich zu sein. Ich habe überlegt ob ich die Agentur trotzdem mit ihr weiter machen könne und an einem bestimmten Punkt, sollte Maria tatsächlich die Agentur nicht mehr machen wollen, die Geschäftsführung an jemand anderen geben kann. Das Problem waren die 50% Anteile die Maria hatte. Gäbe es eine Möglichkeit, diese wieder unentgeltlich zu erhalten, denn immerhin waren diese auch von meinem Geld investiert. Oder wir brechen es an dieser Stelle wirklich ab. Noch hatte ich nicht den großen Betrag überwiesen.

Ich schrieb Herrn Schmitt an:

Ich habe ihm die Situation erklärt und fuhr fort:

Wie sie bereits gesagt haben, wenn Maria sich in 6 Monaten entschließt die Firma zu verlassen, müsste ich ihr sozusagen ihren Anteil ausbezahlen.

Jetzt meine Frage

Ist es möglich einen Vertrag aufzusetzen der sagt, dass Maria die Anteile an mich überträgt ohne dafür Geld zu erhalten? Falls dies möglich ist und sie trotzdem an einem bestimmten Tag die Firma verlässt, habe ich das Problem, dass ich jemand brauche der sich um die Firma kümmert bzw. einen neuen Geschäftsführer. Da ich niemanden kenne in Kolumbien habe ich natürlich das Problem einen neuen Geschäftsführer zu finden, wäre es dann aber möglich, dass Sie in meinem Auftrag jemand beauftragen könnten, das ganze Inventar zu verkaufen, die Arbeitsverträge zu kündigen und die Firma aufzulösen?

Im Moment klingt das alles etwas gruselig für mich.

Mit Marias neuer „Priorität“ wird die Firma hinfällig für mich. Ich habe bereits 2000 Euro auf ihr Konto überwiesen und habe ihr gesagt, dass sie mir den Betrag zurück überweisen soll.

Was würden Sie empfehlen?

Ich bekam folgende ernüchternde Antwort

„Ausbezahlen“ halte ich – streng genommen – nicht für den richtigen Begriff. Da Maria 50% der Aktien hält, handelt es sich von Vornherein um ihren eigenen Vermögenswert (nachdem Sie Ihr vorher den entsprechenden Geldbetrag geschenkt haben). Im Falle einer Liquidation der Firma würde Sie von der Gesellschaft diesen Betrag zurückerhalten bzw. das was davon übrig bleibt, nachdem alle Gläubiger befriedigt wurden.

Man könnte darüber nachdenken, dass erstmal Sie Ihre Kapitaleinlage erbringen und Maria derzeit nichts schenken. Maria hat ja 2 Jahre Zeit, um ihre Einlage zu erbringen. Im Falle einer Liquidation würde Maria dann prinzipiell nichts zurückbekommen, weil sie ja auch keine Einlage erbracht hat.
Das würde dann wiederum zu folgenden Problemen führen:
– Die Gesellschaft müsste erstmal nur mit Ihrem Anteil wirtschaften, d.h. COP $45.000.000, was vermutlich nicht ausreicht.
– Die COP $45.000.000 würden relativ schnell aufgebraucht bzw. in Sachwerte umgesetzt werden. Es bliebe im Falle einer Liquidation der Gesellschaft also praktisch nichts für Sie übrig.
– In den Statuten steht fälschlicherweise, dass beide Aktionäre ihre jeweiligen Kapitaleinlagen schon erbracht haben (capital pagado COP $90.000.000), was bei der Liquidation zu Problemen führen kann. Maria könnte also argumentieren, dass Sie ihre Einlage schon erbracht hat.
– Es ist nicht klar, wann der Fall „Firma verlassen“ vorliegt. Maria könnte ja theoretisch einfach nicht mehr reagieren. Dann könnte man sie nicht zwingen, die Firma abzuwickeln oder Ihnen Aktien zu übertragen.

Wegen der Aktienübertragung: Ich sehe keine realistische Möglichkeit für solch einen Vertrag, geschweige dessen praktische Durchsetzung.

Wegen eines neuen Geschäftsführers: Die Bücher wären im Besitz von Maria, die Sie wiederum brauchen um Ihre Rechte effektive geltend zu machen.

Ob er das abwickeln und die Firma auflösen könnte: Nein, das kann ich schon allein wegen des Geschäftsmodells nicht machen.

Wegen der 2000 Euro, die sie zurück überweisen soll: Das Geld wird sie – so wie ich die hiesigen Gepflogenheiten seit 12 Jahren kenne, nicht zurücküberweisen.

Was würden Sie empfehlen: Ich würde Ihnen empfehlen vom ganzen Vorhaben Abstand zu nehmen.

Da saß ich nun. Aus der Traum. Soll ich weiter machen? Welche Basis haben wir noch? Soll ich aufhören? Wäre es fair gegenüber Maria? Muss ich überhaupt noch fair gegenüber Maria sein? Sehe ich es zu engstirnig? Ich hatte keine Ahnung. Was ich wusste war, ich wollte diese Agentur und Maria ist, trotz allem was geschehen war die richtige Wahl. Aber das Vertrauen war zerstört. Hätte sie mir das am Anfang klipp und klar gesagt, dann hätte ich die Agentur nie mit ihr begonnen.

Ich hatte ein etwas längeres Gespräch mit meiner Frau. Diskussionen über Pro und Contra, aber es war das erste mal, dass auch meine Frau gesagt hat, es wäre an der Zeit das zu beenden. Auf der einen Seite war der Berufswunsch von Maria, den man ihr nicht verwehren kann, denn noch ist unsere Agentur nicht erfolgreich und sie muss sich auf ihr Leben weiter konzentrieren, wie ich auch auf meines. Aber was ist, wenn Maria genau in der Phase des Aufbaus eine Rolle bekommt. Was dann? Zu diesem Zeitpunkt war ich ratlos. Alles was ich wusste, war, ich will diese Agentur, aber ich wusste nicht wie es funktionieren soll. Ich wollte das Gespräch mit Maria abwarten.

Meine letzte Frage an diesem Tag an Herrn Schmitt war ob die Situation gelöst werden könne, wenn Maria mir die 50% überträgt, sodass ich alleiniger Gesellschafter bin mit 100% Anteil und ich könnte Maria als Geschäftsführerin einstellen und Gehalt bezahlen oder wären die Bücher dann immer noch Vorort und ich hätte Probleme?

Mit dieser E-Mail ging für mich der dunkelste Tag unserer Firmengeschichte zu Ende.

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